M-bodi-ment-A, Gruppenausstellung im Projektraum des Deutschen Künstlerbundes Berlin, 17. September bis 19. November 2021 mit Claudia Larissa Artz, Arnold Dreyblatt, Noa Eshkol, Andrea Morein, Ohad Naharin,/Batasheva Dance Company, Abi Tariq, Ulrich Werner, Carola Willbrand, Reiko Yamaguchi
Die Ausstellung ist kuratiert von Andrea Morein, Mitglied des deutschen Künstlerbundes:
Rede zur Eröffnung der M-bodi-ment-A am 16.Sept. 2021 Ich begrüße Sie sehr herzlich, liebe Freunde, liebe Damen und Herren und natürlich auch die hier anwesenden KünstlerInnen des Projektes, den Sprecher des Vorstandes Albert Weiss. Ich möchte meinen großen Dank aussprechen an das ganze Team und im besonderen an die Geschäftsführerin des Deutschen Künstlerbundes Frau Susanne Jaschko, die mit viel Engagement und Expertise die Ausstellungsvorbereitungen begleitet hat. Auch der Galerie neugerriemschneider sei gedankt für die großzügige Leihgabe des Wandteppichs von Noa Eshkol für die Ausstellung. Nele Hertling, die ja die einführenden Worte hier vorgetragen hat, möchte ich an dieser Stelle meinen ganz besonderen Dank aussprechen. Ohne ihren jahrzehntelangen unermüdlichen Einsatz für die körperbasierten Künste, z.B. der Gastspielreihe‚ Pantomine, Tanz, Musik, Theater’ in der Akademie der Künste in den Achziger Jahren, wären viele der Entwicklungen, die seitdem stattgefunden haben, gar nicht möglich gewesen. Ihr haben wir daher sehr viel zu verdanken. Sie hat uns damals noch jungen KünstlerInnen neue Perspektiven aufgezeigt und uns inspiriert. Aufgrund meines eigenen Hintergrundes – vom Ausdruckstanz kommend und mit einer langjährigen Praxis unterschiedlicher ganzheitlicher Bewegungs- und Performanceformen – habe ich den Verkörperungsaspekt auch in anderen künstlerischen Medien entdeckt und in der Folge danach geforscht, was eine embodiment – betonte Kunstpraxis sein könnte. Ein vorläufiges Ergebnis dieser Forschung stellt diese Ausstellung dar. Was ist Embodiment? (Ein bisschen wie der Elefant im Raum; alle wissen was das ist, aber die wenigsten können es umschreiben.) Der Begriff ‚Verkörperung’ im Deutschen wird oft anders benutzt. Eher in einem metaphorischen Sinn: Etwas ist die Verkörperung von etwas… Dem Begriff ‚Embodiment’ begegnen wir z Zt. vermehrt in der Tanz-, Therapie- und Bewegungsszene. Es gibt viele Angebote, die die Einheit von Körper und Geist betonen. Embodiment im Sinne von ‚durch den Körper’ erlebtem Bewußtsein. Sie sprechen die so ersehnte Verbundenheit mit sich als ‚Ganzheit’ an, auch als Gegengewicht zur zunehmenden Selbstentfremdung in unserer Welt. Dieses Bedürfnis hat sich in der Pandemie noch verstärkt. Unsere durch Informationen überflutete Lebensweise – auch schon davor! – hat uns ein Leben mit Abstand und Trennung bewusst gemacht; wir vermissen zunehmend jegliche Art der Verbundenheit… und diese kann auch durch die Kunst erfahrbar werden. Vielleicht ist daher diese Ausstellung auch jetzt relevanter als vor der Pandemie. Wie könnte man ‚embodied art‘ beschreiben? Es ist kein ‚Gebrauchen’ des Körpers als Mittel, als Vehikel oder als Formsprache. Kein sich selber zum Material erklären und auch nicht den Raum durch die eingesetzte Materialität alleine festschreiben. ‚Embodied art’ bringt – im Zusammenklang der ganzen Person in Zeit und Raum – den Prozess des Tuns auf einen Nenner. Sie ist unmittelbar und auch unausweichlich. Ich benutze dafür an anderer Stelle den Begriff IS-ness. Es ist. Für den Betrachter stellt sich eine Direktheit der Rezeption ein, die ihn jenseits seines Intellektes anspricht – diesen jedoch nicht ausschließt. Es ist wie ein Geschehen, bedarf keiner Referenzialität und deutet nicht auf etwas Anderes, Darüberhinausgehendes hin, ist also sein eigenes Universum (wie es Ohad Naharin in dem Video in der Ausstellung sagt). Man kann auch sagen, dass ‚embodied art‘ ein Feld kreiert, indem die Grenzen fließend sind und die Dinge alle in Beziehung zueinander stehen. M-bodi-ment-A – Der Titel hat natürlich etwas manifesthaftiges, eine Behauptung, die dieser Kunstpraxis ein eigenes Label, einen eigenen Namen geben will… Und in dem Namen verbirgt sich noch ein weiterer Begriff, wenn man das große M am Anfang und das große A am Ende zusammenfügt, ergibt sich das Wort MA. „MA“ ist das japanische Wort für Raum, es beschreibt mehr als den messbaren Inhalt eines geometrischen Körpers. Es bezeichnet einen Raum „zwischen“ den Dingen; etwas zwischen Form und Nicht-Form. Der Faktor Zeit kann dabei eine raumprägende Rolle einnehmen. So wird der Rhythmus des Klatschens durch die Pausen zwischen dem Ton bestimmt und nicht etwa durch den Ton an sich. Noa Eshkol als zentrale Position Ich werde hier nicht über alle teilnehmenden KünstlerInnen sprechen können; das würde den Rahmen dieser Rede sprengen, sondern den Fokus auf Noa Eshkol legen; sie ist quasi der Schlüssel gewesen in meiner Beschäftigung mit der Frage der ‚embodied art’ für diese Ausstellung. Anfang der 70iger Jahre nahm ich im Rahmen meines Regiestudiums am Seminar Ha‘Kibbutzim in Israel an ihren Bewegungsstunden teil. Sehr ungewohnte Methodik; ein bisschen spröde und sehr reduziert. Nix spontan, wie ich das aus dem Kreativen Tanz kannte. Sie machte nie eine Bewegung vor, es gab keine Spiegel, sie wollte, dass wir die Bewegungen erspüren. Dies wurde mir auch später von ihren Tänzerinnen bei meinem Besuch in der Noa Eshkol Foundation im Jahr 2019 bestätigt. Erst 30 Jahre später – und zu meiner großen Überraschung – erfuhr ich, dass sie identisch ist mit der Künstlerin, die Wandteppiche aus Stoffresten hergestellt hat. Eshkols Tanzpraxis und Bewegungsforschung sind gekennzeichnet durch Reduktion und einer formalisierten Bewegungssprache. Im Kontrast hierzu erscheinen die farbprächtigen, expressiven Textilarbeiten in krassem Gegensatz. Diese beiden Seiten ihrer künstlerischen Arbeit existieren sozusagen in einem Paralleluniversum. Man könnte vielleicht sagen rechtshirnig versus linkshirnig. Eshkol selbst hat keine Verbindung zwischen ihren Tänzen und ihren Textilarbeiten gesehen, und doch wurden diese verschiedenen Bereiche in ihrem Haus in Holon aufs Engste miteinander verknüpft und markieren – auch heute noch – einen lebendigen Ort regelmäßiger Gruppenarbeit, dem Sitz der Noa Eshkol Foundation. Von meinem schon erwähnten Besuch dort zeige ich einige Impressionen als slide-show im Raum. Da kann man übrigens sehen, wie die Textilschnipsel von Noa unverändert – so, wie sie sie vorfand –, mit Heftstichen auf die Unterlagen aufgebracht und später von ihren TänzerInnen mit Kreuzstichen befestigt wurden. Über ihre1973 begonnene Arbeit mit den Stoffresten sagt Noa selbst: ‚This occupation had at first no explanation and ideology. It began as an entirely personal urge to make something, not something that involved an intellectual decision (…) It has no rules (…) no theory – only passion. (…) There is something of “action painting” in this process. The combinations that result, reveal a choosing “I” – one that I do not always recognize as “me.” Black Ivy in the Window, 2006 Ist der Titel des Wandteppichs, der auf einem Podest in der Mitte des Projektraumes liegt und das Zentrum der Ausstellung ist. Die Arbeit ist ein Jahr vor ihrem Tod entstanden. Sie ist farblich reduzierter als die meisten ihrer Wandteppiche und hat eine offene Komposition. Ich habe sie ausgesucht, im Gegensatz zu vielen ihrer sonst sehr kompakt komponierten Wandteppiche. Mit dieser offenen Komposition können sich alle anderen Werke sozusagen drum herum platzieren. Man kann fast alle Arbeiten im Raum vom zentralen Punkt aus sehen, sie bilden ein gemeinsames Ganzes. The Nature of the Beast – so habe ich die Zusammenstellung der KünstlerInnen für die M-bodi-ment-A im Arbeitsprozess getauft… Die KünstlerInnen kommen aus verschiedenen Generationen (von der schon 2007 verstorbenen Noa Eshkol bis zu Abi Tariq, der 1990 geboren wurde). Die Diversität ihrer Herkunft und Arbeitsprozesse können und sollen die üblichen Kategorien von ‚jungen’ bzw. ‚älteren’ Künstlern aufheben und auch die Bekanntheitsgrade der Positionen durchmischen. Ich habe absichtlich keine brandaktuellen Arbeiten ausgewählt, oder mich auf die aktuellen Tendenzen der bildenden bzw. performativen Künste konzentriert. Ich habe im Gesamtwerk der jeweiligen KollegInnen nach den Arbeiten gesucht, die diesen Aspekt am meisten ‚verkörpern’. Ich möchte mich an dieser Stelle auch sehr herzlich für ihr Vertrauen und ihre Freundschaft bedanken. Ich hoffe, Sie können dieses Zusammenspiel auf sich wirken lassen. DANKE