UMKEHRPUNKT DER BEWEGUNG
Eine Einführung zur Eröffnung der Ausstellung UMKEHRPUNKT DER BEWEGUNG von Dr. Peter Lodermeyer, Kunsthistoriker, Bonn Trinitatiskirche Bonn Endenich: 06. Juni – 28. Juli 2021
Sieben großformatige und sieben kleine Gemälde stellt die Kölner Malerin Claudia Larissa Artz in der Endenicher Trinitatiskirche aus, dazu kommen sechs weitere Kleinformate, die im Kirchenpavillon zu sehen sind. Der auf den ersten Blick rätselhafte Titel der Ausstellung lautet „Umkehrpunkt der Bewegung“. Mit der sensiblen Auswahl und Hängung ihrer Bilder gelingt es der Kölnerin, ihre Malerei in ein inniges Verhältnis zur Architektur zu setzen. Schon das erste Gemäldepaar gegenüber dem Eingang nimmt behutsam das Licht und die dominante Sprossenstruktur des großen Glasfensters von Gerhard und Gisela Dreher aus dem Jahr 1964 auf. Im ersten Bild werden Helligkeit wie Schwärze gedämpft und in einen „Formationsflug“ von zwanzig balkenartigen Formen gebannt, die lautlos durch das Bildfeld zu schweben scheinen. Die leuchtend blauen Farbakzente des Glasfensters führt das zweite Gemälde, gedämpft und gebrochen durch Leinwandstruktur, die unter der dünnen Lasurmalerei sichtbar bleibt, in das von den rotbraunen Ziegelwänden bestimmte Kircheninnere hinein.
An der Stirnwand, hinter dem Altar hat Artz drei Großformate arrangiert. Ob mit diesem temporären Triptychon auf die Dreifaltigkeit Bezug genommen werden soll, der die Kirche gewidmet ist, bleibt offen. Wer die beiden äußeren Gemälde, die in diesem Jahr entstanden sind, genauer in den Blick nimmt, bemerkt die vielen kurzen, parallel zueinander verlaufenden Schrägstriche, von denen die Bildfelder übersät sind. Diese Striche sind ganz in der Bildfläche verhaftet, während die an Wasser erinnernden unregelmäßigen Blautöne mit ihren gewellten Pinselstrukturen einen unbestimmten Tiefenraum eröffnen. Das Auge ist gezwungen, zwischen Raumtiefe und Oberfläche hin und her zu pendeln. In dieser Wahrnehmungstätigkeit wird sinnlich erfahrbar, was mit „Umkehrpunkt der Bewegung“ gemeint ist.
Die Ambivalenz zwischen scheinbarer Räumlichkeit und faktischer Flächigkeit des gemalten Bildes wird in den sieben in Reihe gehängten Gemälden in der Taufnische noch weiter ausformuliert. Die körperhaften komplexen Formen, die dort zu sehen sind, wirken teils festgefügt wie Kristalle, teils luftig und zart, wie aus textilen Stoffen gebildet. Die scheinbare Körperlichkeit der Formen konterkariert Claudia Artz mit horizontalen Farbstreifen und zweiteiligen farbigen Rechtecken, die den Blick abrupt zurück in die Fläche führen. An diesen Bildern kann man lernen, Ambivalenzen nicht nur auszuhalten, sondern sinnlich und intellektuell zu genießen.
Peter Lodermeyer