Claudia Larissa Artz, Eva-Maria Kollischan, Alke Reeh
von Stefan à Wengen
Zombie-Formalismus nannte der Kunstkritiker Walter Robinson die neueste Tendenz der letzten Kunstmarktsaison.1 Sein Kollege, Jerry Saltz, legte im New York Magazine, kurz nach Erscheinen von Robinsons Text, mit einem weiteren Aufsatz nach.2 Interessant an Saltz’ Kritik waren die in der Anlage seiner Rezension von ihm abgebildeten Arbeiten dieser Künstler; die abstrakten Bilder lassen sich kaum voneinander unterscheiden – und es sind deren viele, gleichsam als Beweis dessen, wiedergegeben. Die Werke dieses Trends weisen alle ein unbestreitbar ähnliches Vokabular aus; die Gemälde beschäftigen sich alle mit Flecken und dergleichen mehr, geschaffen durch Stempelungen, Farbschüttungen, Kleckse, Schmutzspuren, Abschürfungen, Sprühfarbwolken und -linien, ja sogar mit irgendwelchen Siebdruck- oder Schablonenprints, da teils mit Moiré-Effekten – wobei manche Werke in der Tat wie gedruckt erscheinen, obwohl sie von Hand gemacht wur-den und andere wiederum wie handgemacht wirken, jedoch gedruckt sind. Für diese dekorativen, als gefährlich und dreckig wirken wollenden, aber in Wahrheit gänzlich ungefährlichen und gleichsam nur edelverdreckten Leinwände, wurden geschwind Ismen wie beispielsweise Neo-Modernismus, Crapstractionism und Dropcloth Abstractionism er-funden oder, als geschlechtliche Form, die eher lustigen Bezeichnungsschöpfungen Chickstractionism und Dickstraktionism. Kunstmarktkunst oder, wie Jerry Saltz schreibt, ersatz art. Sicherlich werden diese „Ersatzkünstler“ bald von gleichfalls karrierehungrigen Kuratorinnen und Kuratoren in ihren Kunsthallen und -vereinen ausgestellt, unterstützt von deren mächtigen Galeristen, die, neben dem Erzielen von absurden Auktionspreisen dieser Werke, überdies die Strategie verfolgen, ihre Kunstprodukterzeuger auch als Künstler zu etablieren.
Die Künstlerinnen Claudia Larissa Artz, Eva-Maria Kollischan und Alke Reeh arbeiten hingegen abseits dieses sowohl merkantilen als auch oberflächlichen Kunstmarktzirkusses. Ihre Werke lassen sich nicht auf iPhones, iPads, auf Twitter, Tumblr, Pinterest oder Instagram betrachten. Für diese modernen Apparate des schnellen Bilderkonsums sind ihre Arbeiten zu konzentriert, ihre Gemälde und Skulpturen zu sehr einem Anliegen ver-pflichtet. Das mag, vom monetären Standpunkt aus gesehen, und verglichen mit dem Einkommen der postmodernen und fleißigen Arbeitsbienen der Zombie-Formalisten, von Nachteil sein. Für die Sache Kunst jedoch, sind sie zweifelsohne ein Gewinn, denn sie verfolgen konsequent ihren eigenen und vermeintlich vorgegebenen Weg und sind hierdurch, trotz des Bezugs auf die Tradition der abstrakten Moderne, in ihren Arbeiten originär und authentisch.
Sowohl bei Kollischans als auch bei Artz’ Malereien steht die Auseinandersetzung zwischen Linie und Fläche im Vordergrund. Die Linienkonstrukte, die sich in Strichformen von Prismen und Gebilde ähnlicher Ausgestaltung mit gestischen Ver-wischungen auf ungrundierter Leinwand ausbreiten, belässt Kollischan bewusst im Un-klaren, Uninterpretierbaren, während sich Artz’ Werke auf Referenzen ornamentaler Strukturen alter Kulturkreise berufen. Ihre kostbar anmutenden Malereien mit ihren Formkumulationen folgern Verbindungen von Innen und Außen, von innerer Em-pfindung und äußerer Wirklichkeit. Gleichsam so, wie Reehs skulpturale Überlegungen auf Architektur schließen lassen, deren Räumlichkeit als Inneres einer Außenhaut er-fahrbar ist.
Alle Arbeiten dieser Künstlerinnen verbinden Universalformen, die in allen Epochen und Kulturen eine stets gleich bleibende Relevanz aufweisen. Diese Referenzen sind bei Artz sehr konkret, bei Reeh architektonisch reflektiert, bei Kollischans Bildern sind sie in ihrer Lesbarkeit betont offen gehalten, ihre Zartheit und ihre mitunter feingliedrigen Malerei-strukturen verweisen überdies auch auf ihr installatives Werk. Als eher klassisches Thema der Bildhauerei gilt hingegen die Faltung einer Fläche, die so zur Räumlichkeit wird. Reehs Auseinanderfaltungen eines Pentagon-Dodekaeders ist zudem teilweise mit Spiegelglas versehen das den umliegenden Raum reflektiert, dessen Schärfe sich jedoch immer auf das sich darin spiegelnde Objekt richtet. Das Dodekaeder gehört zu einer dieser oben erwähnten Universalformen, zu den sogenannten platonischen Körpern, deren Polyedergestalt nur in fünffacher Ausprägung existiert.
Trotz der Referenzen zur abstrakten Kunst der Moderne und der empfindsamen Rück-besinnung auf alte Formensprachen, sind die Werke von Claudia Larissa Artz, von Eva-Maria Kollischan und von Alke Reeh keineswegs mimetisch. Sie führen in ihrer neueren Umsetzung zu höchst lebendigen Werken, die in ihren Reflexionen nach wie vor etwas Zwingendes beinhalten und als Beitrag zum Kunstgeschehen ihre unbedingte Bedeutung und Berechtigung haben.
Denn zu guter letzt sei doch noch erwähnt, dass das Wort Zombie aus der zentralafri-kanischen Sprache der Kimbundu entstammt. Es meint ein Toter, der durch Zauberei wieder zum Leben erweckt wurde und sich als willenloses Werkzeug des Magiers zu erge-ben hat. Ein Schelm, wer bezüglich der Zombie-Formalisten Böses dabei denkt!
http://spam-contemporary.com/claudia-larissa-artzeva-maria-kollischanalke-reeh28-2-04-4/
1 Walter Robinson; „Flipping and the Rise of Zombie Formalism“; Artspace Magazine; 03. April, 2014
2 Jerry Saltz; „Zombies on the Walls: Why does so much new Abstraction look the same?“; New York
Magazine; 16. Juni, 2014